Zwischen "Ich hab's doch gewusst" und "bitte nicht"

Ich bin hin und her gerissen.

Schaut man fremden Menschen doch stets nur vor den Kopf, so bin ich doch jemand der sich selber ersucht nicht allzu schnell über Menschen, die ich nicht kenne, aufgrund ihrer Art sich zu kleiden zu urteilen. Doch ich bin inzwischen entgegen dieses Glaubens arg überzeugt, dass eine bestimmte Weise sich zu kleiden, gemessen am Ort ihrer Verwendung plus die Art sich zu geben, einen direkten Aufschluss sowohl auf den sozialen Background, als auch auf das meistgesehene Fernsehprogramm zulässt. Musikgeschmack - oder das jegliche Fehlen desselben - inklusive.

Was jetzt gewiss ein wenig nach Sozialdarwinismus klingt, soll gar nicht urteilen oder bewerten, es geht mir hier nicht um arm oder reich, gebildet oder eher weniger. Aber nach einigen Tagen mit Sommerrodelbahnen, Minigolfanlagen oder Freizeitparks maße ich mir an, diese Klassifizierung mühelos abgeben zu können. Ob es der sich vordrängelnde Lehrer, die in Gänze eine RTL-Frisur tragende Familie oder die enervierende Eliteschuleklasse bei der Fastfoodausgabe ist. Alle, alle, wirklich alle Menschen - auch ich selber natürlich - verhalten sich so archetypisch, dass man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll.

Auf jeden Fall relativiert sich hier sehr rasch der so gerne herbeigeflehte Glaube an den freien Willen. Es scheint, als könne man nicht aus seiner Haut, als gäbe einem das was man gelernt hat, das was man kennt, das was man konsumiert und das was man glaubt einfach jede Entscheidung, jede Handlung vor. Ich zum Beispiel bin auch noch nach dem dritten mal des sich so beschissen dummdreist vordrängelnden Sandalenheldens in viel zu kurzer Hose und mit bekacktem Schnurbart noch relativ höflich und raste erst beim vierten mal aus. Dann allerdings richtig unfeierlich. Das habe ich eben so gelernt und wehre mich aus diesem Grund noch immer mit Vehemenz gegen diesen Glauben an die unausweichliche Determinierung, deren unfreiwilliger Zeuge ich soeben wieder einmal geworden war. Logisch, dass ich das maurerdecolletierte, unfreundliche Weißbrot mit einem meine kleingeistige Schadenfreude befriedigendem Sonnenbrand auf dem Parkplatz mit seiner Schulklasse in einen Essener Bus steigen sehe.

Poetisch schreibe ich in Texten gegen diese billige Typisierung weiter an.

Allein der Glaube fehlt mir. Und so muss ich mir selber eingestehen, dass wir zwar eine sehr bunte Spezies, aber wohl doch keine sehr überraschende sind.

Schade.

Der Preis des Ganzweitwegs

Es gibt scheinbar dieses Weitweg - aber eben auch das Ganzweitweg.

Letzteres bedeutet glaube ich, so man es sich denn überhaupt wünscht, in der Übersetzung eine Art Freiheit. Diese ist jedoch in der Vorstellung zumeist gekoppelt mit Ruhe, Unversehrtheit, heiler Welt. Sind diese Punkte in der Realität nicht allesamt erfüllt, ist es wohl nur das einfache Weitweg.

Ich sitze gerade inmitten eines idyllischen Fleckchens Erde, alles was als Weg noch weiter, noch höher hinauf und hinaus führt, ist nur noch per Wanderschuh zu erreichen. Der nächste Bäcker ist derart weit entfernt, dass dieser des morgens einen kleinen Wagen auf schmalen Pfaden hinauf schickt, um seine Brötchen an den Mann zu bringen. Die Grillen streiten sich um das phonetische Vorrecht mit Kühen und Wildgeflügel auf den weiten Anhöhen. Es könnte nicht wesentlich friedlicher sein. Und doch, man muss gar nicht hinsehen, hört man unterschwellig permanent, was hier die Idylle stört.

Es sind die durchaus vereinzelt stehenden und hoch über den Wäldern thronenden Windräder, die bei ausreichend Wind, und den gibt es hier fast immer, gewiss ein Grund, warum sie ausgerechnet hier stehen, ihre unsichtbaren aber hörbaren Wunden in die Umgebung schlagen. Jene Energiequelle, die ich vehement befürworte, der ich bislang uneingeschränkt meine Stimme gab, deren unkenrufenden Gegnern ich bislang einen Spleen unterstellte, wenn sie einmal mehr von den verwirrten Vögeln sprachen, die mit den technischen Störenfrieden nicht mehr zurecht kamen.

Mag sein, dass es an dieser ansonsten absoluten Ruhe, der Perfektion einer Idylle liegt, dass es mir überhaupt auffällt. Mag sein, dass es die Geologie dieses Ortes ist, der die Geräusche, die man nicht einmal wirklich als Lärm bezeichnen kann, überhaut erst so dominant in mein Bewusstsein spült. Mag sein, dass ich gerade derart abschalte, so dass mir jeder noch so geringe Misston auffällt. Man kann auf jeden Fall nicht verneinen, dass diese rauschenden Riesen einen Effekt auf Mensch und Tier ausüben.

Mich macht das nun noch lange nicht zum Gegner dieser Technologie, ist sie doch um ein so unendliches Maß intelligenter als die lebensverneinenden, kernspaltenden Brückentechnologiefehler des vergangenen Jahrtausends, doch zumindest denke ich nun darüber nach.

Less Wire less LAN

Tag 1.
So leben sie also.

So fühlt es sich an, wenn man offline ist. Ich meine wirklich offline.
Wenn alle Lämpchen blinken und leuchten aber jedes einzelne lediglich das Fehlen jeglicher Konnektivität versichert.

Strom gibt es zur Genüge, kann ich doch sogar hier oben das Flugzeuge warnende Rotlicht der Windräder sehen. Alle Endgeräte strotzen nur so vor Energie. Aber es gibt nicht einmal ein Sekundenfenster, das die Chance für einen Tweet, ein Instagramfoto, ein winzig kurzes Telefonat, geschweige denn für einen Blogpostupload eröffnen würde.

So schlimm das Gefühl für einen Onliner reinsten Blutes zunächst ist, da gibt es gar nichts zu beschönigen, so schnell bringt es einen in die Nähe der Antwort auf die oft gestellte Frage, was habe ich eigentlich früher, vor dem Internet gemacht.

Die Antwort ist so kitschig wie essentiell: leben.
Ich jedenfalls entfalte nun die Wanderkarte und sehe wohin es uns morgen führt.
Falk.
Nicht Google.


Dämonen

Ein wahrhaft tosendes Gewitter
In wirklich jeder einzelnen Nacht
Und glaub mir es war bitter
Vollsten Schreckens aufgewacht

Bereit den Dolch zu greifen
Bereit ihn zu benutzen
Gefertigt um im Ernstfall
Des Teufels Schwanz zu stutzen

Doch feiges Wesen an die Nacht
Gelegt und um den Schlaf gebracht
So ziert er sich der Haderlump
Und kneift noch immer, Stund für Stund

Den Seiber schmeck, den Odem riech ich
Und sei der Umstand noch so wiedrig
Ich lauere jede Nacht dem einen
Der sich verstellt, und der doch meinem

Eigenen Wesen Untertan
So macht er sich an mich heran
Der Waffen Schärfe wohl gewahr
Kneift er noch immer, Jahr für Jahr

Es treibt in meinem Geiste Blüten 
Ich läs ihm gerne die Leviten
Mit lodernd Fackel Ungemach
Verziere ich mein Schlafgemach

Die Akzeptanz des eignen Strauchelns
Vorangestellt der Angst des Zauderns
So bin ich stark und Morpheus kann mich
Ich wache selbst wenn er heran schlich

Doch stets frag ich, erkenn ich ihn,
Hätt all mein Wille seinen Sinn?
Wenn er doch meiner gleich sich zeigte
Und ich mein Sinnen so vergeigte

Als wäre es ein bloßes Schauspiel
Zu lang schon läuft dies Katz- und Mausspiel
Doch jeden Zweifel wisch ich fort
Derlei gibt es in einem fort

Heut Nacht exakt, da muss es sein
Ich lad ihn gern zu mir her ein
Bevor wir noch die Wimpel tauschen,
Lass ich ihn sich an sich berauschen

Die Hybris ist mein schärfstes Schwert
Und so er sich von mir ernährt
Wird er im Taumel wankend fallen
Ich hör ihn schon vor Trunksucht lallen

Mag sein er schafft's und kommt herinnen
Ich lass ihn gern den Sieg erringen
Denn Pyrrus hat uns eins gelehrt
Was ist denn schon der Sieg uns wert 

Wenn wir nicht fähig sind zu denken
Unser' n Triumph bedächtig lenken
Den Kaiserapfel ruhmreich schwenken
Und vor der Zeit den Hals verrenken

Ich geb ihm Zeit, ich wieg ihn still
In Sicherheit und Hochgefühl
Doch grade wenn er meint das war es 
Hol weit ich aus und geb ihm Pares

In dieser Nacht muss ich obsiegen
In dieser Nacht wird er erliegen
Der scharfen Klinge rächend Klang
Nie wieder ist mir Angst noch Bang 

Nebst der Entscheidung werd ich fällen
Ein Urteil vieler kleiner Quellen
Die mir ihr Unbill zugetragen
Zu schnell verliert man sich in kargen

Wortgewalt'gen Einzelviten
Und jede trägt die eignen Mythen
Es langt, der Schnitt, der Schnitt muss sein
So lad ich generös ihn ein

Zur Henkersmahlzeit exklusiv
Heut Nacht geht mir dabei nichts schief 
Ich zittre, bibbre, blinzel, scharre
Mit jenem Huf, dem ich doch harre

Mein Atem brennt dem Schwefel gleich,
Die Augen blitzen rot sogleich
Ich spüre Hass, lass ihn heraus 
Im Nebensatz hör ich Applaus

Er kommt, ich morde, lache auf
Das Biest in mir hat freien Lauf
Und erst als er am Boden liegt
Spür ich wie schwer mein Schicksal wiegt

Denn Tonnen voller Angst versiegen 
Und er bleibt still am Boden liegen
Wo ist mein Wille, einst so wild
Vor mir zeigt sich mein Spiegelbild

Wo mir Dämonen zugewunken
Dort bin soeben ich ertrunken
Sogar der Vers in sich verdreht
Zeigt Jedem wie's mir wahrhaft geht



Ein wahrhaft tosendes Gewitter
In wirklich jeder einzelnen Nacht
Und glaub mir es war bitter
Vollsten Schreckens aufgewacht.


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Edit: Hier geht es zu "Dämonen - Teil II"

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2 Kommentare:

Entspannung vs. Angstmacherei - warum ich Endgeräte endgeil finde

Manchmal haben die Nörgler und Zauderer, die Miesepeter und Bewahrer recht. 

Manchmal aber auch nicht.

Die Eisenbahn, so wurde geunkt, würde den Menschen ob ihrer unfassbaren Geschwindigkeit in den Wahnsinn treiben, ganz zu schweigen davon, dass der Körper gar nicht für eine solche Belastung ausgelegt wäre. 

Das Telefon schien das Ende zwischenmenschlicher Kommunikation vis a vis. 

Und jetzt auch noch das verdammte Internet. Wir werden alle vereinsamen, verblöden, zu Stubenhockern und was nicht sonst noch alles. Vermutlich das gottverdammte Ende der Welt.

Das Schlimmste aber sind diese dauernd um Zuneigung buhlenden Endgeräte. Überall verführen Smartphones und Tablets ihre fremdgesteuerten Besitzer dazu, das weiter oben erwähnte, gottverdammte Internet mit Worten, Daten, Fotos zu füttern. 

Nun - wir reisen inzwischen putzmunter knapp unter Überschall (oder umgekehrt) durch die Welt, das Telefon konnte nicht verhindern, dass ich mit meinen Nachbarn am Gartenzaun ein After-Rasenmäh-Bier trinke und das Internet ist dafür verantwortlich, dass ich meine Steuererklärung nicht mehr mit der Post schicken muss und mal eben Zugriff auf das Wissen der Welt habe, wenn mir danach ist.

Und diese grauenhaften Smartphones ... haben mich vielleicht sogar vor einem Dasein als Pizza fressendem Stubenhockern bewahrt. Denn waren frühere Technologien oftmals noch ein Widerspruch zu erbauenden Dingen wie Naturerlebnissen und aktiven Freizeitaktivitäten, befreien mich die - zu 99% ja von sie nicht nutzenden Menschen - gescholtenen Endgeräte mich geradezu. 

Wollte ich noch vor ein paar Jahren einen Text schreiben, musste ich mich damit abfinden,dies an meinem Schreibtisch tun zu müssen, sei das Wetter draußen noch so verlockend. Etwas später konnte ich immerhin mein Netbook mitschleppen und darauf hoffen, irgendwo in einer ultramodernen Kneipe vielleicht einen Netzanschluss vorzufinden, nicht selten gegen Bares. Ist es nicht unglaublich wundervoll, dass ich nun, wann immer mir die Eingebung einen Schreibzwang ins Hirn hämmert, dieser nachgeben kann und das immer und überall? 

Diesen Blogeintrag schreibe ich beispielsweise gerade im Garten, lasse mir von den Vögeln ein Konzert  zur Untermalung gefallen und kraule die vorbeischauende Nachbarskatze. Nicht falsch verstehen,mich mag auch Schreibmaschinen, aber ich liebe meine Mobilität. Technik ist nur böse, wenn man sie für etwas Böses einsetzt. Und das zu entscheiden liegt alleine in unserer Macht.

Und nun setzen sie sich bitte wieder auf ihr Hochrad und entfachen ein Signalfeuer, das kann ja auch sehr romantisch sein.