Schuster, bleib bei Deinen Scrollbalken.

Sozialmedial vernetzt zu sein, galt in meiner sozialmedialen Kindheit - also in den frühen bis mittleren 90ern, zunächst als verrückt neu, dann als das neue Ding und absolut notwendig, und bis vor Kurzem noch als total en vogue. Heute ist es schlicht normal und bedarf eigentlich kaum mehr der Erwähnung. Meint man.

Denn genauso wie es für Euch, die Ihr hier diesen Blog lest, Usus ist, das virtuelle Leben so selbstverständlich in Euren Alltag einzubauen, wie zum Bäcker, Spazieren oder in die Kneipe zu gehen. gibt es sie ja auch immer noch: all die anderen, die das berühmte Teufelszeug und Internet in einem Atemzug nennen und es auch so meinen - wohl wissend, dass sie weder von dem einen noch von dem anderen auch nur die blasseste Ahnung haben.

Ist auch alles nicht weiter schlimm. Jeder hat seine Hobbies, seine bevorzugte Lebensweise, sein Umfeld. Schlimm finde ich es erst, wenn man sich mit einem Umfeld schmückt, ohne dieses überhaupt bewusst zu bewohnen. Das Schmücken mit fremden Federn gibt es schon, seit es Menschen gibt - und Federn natürlich. Die Frage muss aber nun gestattet sein, warum ich vorgeben sollte, Ahnung vom  Leben im Internet zu haben, wenn es nicht den Tatsachen entspricht? Ich gehe ja auch nicht zu meinem Gemüsehändler und erzähle ihm was von biologisch einwandfreier Aufzucht, nachhaltig freilaufender Rüben.  

Wenn das virtuelle Leben heute noch ultrahip und nicht so normal wäre, wie das morgendliche Zähneputzen, wäre ich eventuell bereit ein gewisses Verständnis aufzubringen, all jenen gegenüber, die mir tagtäglich das Netz neu erklären wollen. Ist es aber nicht - ich erwähnte es eingangs bereits in wenigen Worten. Das Netz ist im Alltag  angekommen. Und so - auch das ist keine wirklich neue Erkenntnis - ist es im virtuellen Leben das Selbe, wie im biologischen - es gibt ein paar unumstößliche Weisheiten:

Practice what you preach. Wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus. Schuster bleib` bei Deinen Leisten (was nicht heißt, dass der Schuster nicht jederzeit seinen Horizont erweitern darf). Was im anfassbaren Leben gilt, gilt auch in der virtuellen Welt. Sei einfach Du selbst und versuch` kein Arsch zu sein. Mehr ist es gar nicht.



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Weiterlesen: "Das Netz wird endlich 3.0"

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Dämonen II

Zurückgerudert garstig Los
Entkommen aus der Kargheit Schoß
Gesichert mittels Seilen straff
Seh` ich den Plan an, der im Schlaf
     Mich übermannend fällen sollte
     Ganz so, als wär`s des Geists Revolte
          Und so ich lass
          Dem Graus den Spaß
     Zu spät käm meine Volte.

Entfesselt aus der Welt der Wächter
Genährt mit meiner Selbst Gelächter
Ermpor steigt abermals das Klagen
An ihm und jetzt könnt` ich verzagen
     Ich glaubte es bereits am Boden
     Doch scheinbar hab` ich mich verhoben
          Obschon ich stieß
          Es ins Verlies
     Ist es schon wieder oben.

Besitzergreifend geifernd Gier
Nach meinem Selbst das jetzt und hier
Sich seinerseits dem Boden neigt
Verzweifelnd suchend nach verzweigt
     In dunklen Kurven windend Tunneln
     Doch dieser Zeit gibt es kein Schummeln
          So harr` ich aus
          Seh` voller Graus
     Vernehme dunkles Grummeln

Den Hals im Geiste zugeschnürt
Verfolge ich fast ungerührt
Erstickend Hohn und Spottgesänge
Zu viele dieser tödlich` Klänge
     Als dass ich aus der Rage fliehend
     Mich könnt` am eignen Schopfe ziehend
          In Klarheit mir den Plan bedenkend
          Mir selbst ein wenig Wahrheit schenkend
     Befreien aus der Enge.

So wart` ich all zu lange suchend
Nach einem Plan, nun selbst verfluchend
Was sich mein panisch Hirn erdacht
Als wär es nun erst aufgewacht
     Als wähnt` es sich bereits besiegt
     Als ob es schon im Grabe liegt
          Als wär` verloren
          Ungeboren
     Was dem Kampf obliegt.

Tribut gezollt der alten Masche
Wie Phönix einst mit seiner Asche
Die Welt um sich herum arg narrte
Und wo war ich, als sie verharrte
     In tumbem Glauben an das Zagen
     Ergeben ganz an das Versagen
          Den Schatten gleich
          Unglaublich bleich
     Geht es mir an den Kragen

Es schleicht sich Furcht in Mark und Bein
Es braucht nicht lang, um da zu sein
Wo alle Tugenden vergehen
Sich selber tief versunken sehen
     In Oberflächen Malstrom gleich
     Nur eine Hand, wie Knochen bleich
          Dir grade noch zu Hilfe naht
          Doch geb` ich mir den einen Rat
     Schlag aus die Hand sogleich.

Es naht ein Licht aus ferner Weite
Ein Licht, das ich mir selbst bereite
Es dimmt so vor sich hin und glimmt
Ich schlag die Warnung in den Wind
     Ich greif` die knöchern Hand mit Macht
     Ich lass mich ein auf diese Schlacht
          Es knackt und kracht
          Es kreischt und lacht
     Und um mich ist es Nacht.
   

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Edit: Hier geht es zu "Dämonen" - Teil 1 

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Die DNA des ikonografischen Konsens

Wir sind Bewahrer.
Wir gewöhnen uns nur sehr ungern an Neues. Ungewohntes bereitet uns großes Ungemach. Im Grunde weisen wir eine klassische WDR 4-Struktur auf: "Schönes bleibt."

Wir benutzen zwar die neuesten Rechner, bedienen mit Leichtigkeit die hippsten Apps, aber wenn wir etwas speichern wollen, suchen wir sofort nach dem Diskettensymbol. Viele der jungen Webster kennen nicht einmal mehr Disketten, was so schlimm nicht ist, aber dass die Diskette für das Speichern einer Datei steht, ist in die kollektive DNA aller Computer bedienenden Menschen eingegangen. Das muss diese Zellerinnerung sein. 

Das Gleiche gilt im öffentlichen Raum. Wenn man in einer Behörde darauf hinweisen möchte, dass das Klingeln eines Telefons die Allgemeinheit stört, so bildet man in der Regel nicht ein schwarzes Rechteck mit abgerundeten Ecken ab - also jene Form, die jedes gängige Smartphones heute von Hause aus mitbringt (und die Apple jüngst erst wieder als Design-Innovation verkauft hat), sondern den Nokia-Knochen von 1998. Benötigt man generell ein Symbol, um den Menschen eine Telefonnummer anzupreisen greift man lieber gleich auf einen Hörer zurück, der in seiner Form so gewiss noch in den 80ern - da jedoch standardmäßig mit roter, grüner oder gelber samtener Schutzummantelung - in den Wohnungen zu finden war. 

Wir sind Bewahrer.

Ich sitze gerade in meiner Stammkneipe und schreibe diesen Blog. Ein flüchtiger Blick auf den modernen, rechnergesteuerten Smartscreen, der im normalen Betrieb Angebote anpreist oder auf aktuelle Zeitgeschehnisse wie kürzlich den Tod von Robin Williams mit einem salutierenden "Oh Captain, my Captain" eingeht, zeigt gerade die Oberfläche der Eingabemaske. Ein Regal aus Eichenholz vor einer jugendstiligen Brokattapete bietet reichlich mit Ornamenten verzierte Icons, die dem Benutzer ein behagliches Gefühl von stilsicher altbackener Gemütlichkeit vermitteln sollen. Ähnliches kennt man von Fernsehermenüs oder ähnlichen technischen Oberflächen, die allesamt mittels digitaler Texturen eine Welt vorgaukeln, die wir real nicht mehr um uns haben. 



Klar sehen wir uns als moderne Menschen, doch die Ikonografie unserer Moderne wird noch immer heftig bestimmt durch die Welt unserer Vorfahren. Zeitungen im Netz - obschon völlig frei von technischer oder ästhetischer Reglementierung - weisen vom Layout her zumeist exakt das gleiche Erscheinungsbild auf, von den klassischen Papierkonkurrenten, deren Erbe sie antreten wollen. Die Armaturenbretter der neuesten Wagen der Nobelklassen, bis unter das Dach vollgestopft mit neuester Technologie, kleiden sich in gemaserte Edelhölzer, die unseren Urgroßeltern zur Ehre gereicht hätten. 

Wir sind Bewahrer.
Und der Spießer, der Gemütliche, der eigentlich in Uromas Wohnzimmer gemütlich vor dem Kamin sitzen Wollende wohnt tief in uns. Es scheint einen gesellschaftlichen Konsens zu geben, von dem was erstrebenswert ist. Und dieses Level möchten wir zunächst erreichen und dann halten. Wir schmücken es gerne reichlich aus mit dem Neuesten Schnickschnack, aber die Messlatte der Umgebung, die Benchmark des Grades an Gemütlichkeit und Heimeligkeit hat sich seit Jahrzehnten nicht verschoben. 

Ich wage zu behaupten, dass uns die Diskette, der Telefonhörer und alle ihre Symbolbrüder und Symbolschwestern auch in 20 Jahren noch begleiten werden. 

Wir sind - im Grunde unseres Herzens - Bewahrer.

Atombombenkindheit

Ich wette, kurz vor Ende dieses Blogs werdet Ihr nicht erraten, worauf ich anfangs hinaus wollte. Ich gestehe auch, die Kurve ist abenteuerlich.  

Diskussionen über das Recht und die Pflicht zur Party (reminiszieren Sie mit mir bitte an dieser Stelle so ungleiche Bands wie die Beasty Boys und die Rodgau Monotones) auf die Seite schiebend, möchte ich - ein gefühlter Ritter der Ernsthaftigkeit - meine Lanze brechen. Ich tue dies im Angedenken eines bedrückenden Grundgefühls, welches ich als junger Mensch in den 80ern beständig mit mir herum trug.

Wann immer ich mich entspannt und frei wähnte, haben mir die 80er dieses Unwohlsein eingepflanzt, dass eigentlich zu jeder Sekunde das Ende nicht nur nah, sondern bereits da sein konnte. Im Grunde war mir - und ich denke, ich war da nicht allein - die Möglichkeit eines Atomkrieges zu jeder Sekunde bewusst. Man kann sagen, ich hatte Angst. Nicht immer akut, aber unter der Oberfläche immer. Es gab viele Momente, da ich den Blick zum Himmel wandte, und irgendwie schlicht damit rechnete, dort einen hellen Blitz zu erblicken.

 Vielleicht haben Filme wie "The Day After" ihren Teil dazu beigetragen, diese ohnehin vorhandenen Ängste zu schüren und zu verfestigen, die Bedrohung war jedenfalls so real, wie das Gefühl. Anfang der 90er hatte ich das erleichternde Gefühl, dass sich da weltpolitisch etwas entspannt, dass eine neue Generation die Ruder der Geschichte übernommen hatte. Gute, der erste Irak-Krieg zeigte bereits, dass wir nicht urplötzlich im Lummerland aufwachen würden, aber die Bedrohung der totalen Vernichtung Mitteleuropas schein mir doch abgewendet.



Ich habe nun seit ein paar Monaten aufgrund der geopolitischen Entwicklungen im Nahen Osten, in Gaza und natürlich auch in der Ukraine, leider einen kleinen Flashback, einen Nachhall, eine Rückkehr des Wissens um das Gefühl, welches mich so lange gequält hatte. Die Hybris ist wieder unterwegs. Die Waffen sind plötzlich flächendeckend wieder ein Mittel, seine Ziele zu erreichen. Das Säbelrasseln einer Seite wird derzeit durchaus mit einer exakt solchen Antwort bedacht, anstatt der Diplomatie, dem Wort selbiges zu reden.

In der Poesie der Vernunft siegt immer die Feder über jedes Schwert. Realpolitisch sieht es gerade danach aus, dass die Federn schon aus der Ferne von übergroßen Schwertern, gelenkt von überkleinen Geistern mit übergroßen Egos verbrannt werden sollen. Und plötzlich ist es wieder da. Dieses Gefühl, relativ hilflos zum Himmel zu sehen. Nicht dass ich derzeit den in den 80ern erwarteten Blitz zu sehen befürchte. Aber ich sehe gerade mit einiger Besorgnis, dass die Welt sich in ihren Spitzen wieder auf den Weg macht, anders Denkende, anders Glaubende, anders Lebende mit der Waffe davon zu überzeugen, dass die eigene Meinung - und sei sie noch so verblödet - die richtige Meinung ist.

Ich bin kein Hippie, kein verträumter Spinner, der sich der Hoffnung auch nur ansatzweise hingegeben hat, dass Menschen sich bezüglich ihres Verhaltens ändern würden, das sie seit Anbeginn ihrer Geschichte an den Tag gelegt haben, aber ich gestehe, ich hatte in der geschichtlich kurzen Zeit meines bisherigen Lebens die Hoffnung, dass die Vernunft ein wenig die Oberhand gewinnen könnte über Glauben, Strömungen und den puren Hass.

Nun - diese Hoffnung war unbegründet. Um aber nun mit der gebrochenen Lanze den Boden zurück zu schlagen zum "Fight for your right to party" der späten 80er, muss ich einfach sagen, es gibt mir viel zu viel zu viel zu viel zu irre doll vom Mainstream-Radio beachteter Musiker, gerade hier in Deutschland, die einer fatalen Gemütlichkeit die Bühne bieten, die jegliches Bewusstsein für gesellschaftliche Reflektion vermissen lassen.

"Ja, er nun wieder!", höre ich sie rufen, "muss denn immer alles politisch sein?" - Nein, muss es nicht. Aber dann hört später auf zu jammern, dass Ihr Euch vielleicht auf lila Wolken und Nickelback verlassen habt, die Euch die Welt erklärt haben, als gäbe es ein Leben in einer schnittvermengten Blase aus RTLligem Dumpfsinn, feuchter Teeniepornografie und hier und da mal einem Tütchen. Wenn Euer höchstes Gut ist, einmal auf einem Bild von Virtual Nights aufzutauchen und sogar die Zurschaustellung in einem Reality Format der Privaten unerreichbar weit scheint. Wenn die Belanglosigkeit Inhalte vorgaukelt, sich einen festen Platz in Eurem Herzen gesichert, gekauft hat.

Ich sagte es anfangs. Es begann in den 80ern mit einem Gefühl. Ein Gefühl der Kälte. Nun sind wir 30 Jahre weiter und die Kälte hat sich manifestiert in einer gesellschaftlichen Leere, die das Desinteresse und die Betäubung als alltäglich gelebte Kultur geadelt hat.

Ein Hoch von meiner Seite auf alle Künstler, an alle Menschen, die sich diesem Stumpfsinn widersetzen, die selber denken und ihre Kraft wahrscheinlich gerade aus der allgegenwärtigen Betäubung schöpfen. Ja, es klingt blöd - stimmt - aber dagegen sein war meiner Ansicht nach noch nie so sinnvoll wie derzeit. Es gibt Schafe und es gibt Schlachtbänke. Und es gibt andere Wege.

Ich will mich auf jeden Fall nie wieder so wehrlos fühlen, wie in den 80ern!

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Ein Zitat: "Ich finde, wir müssen mit Stil untergeh`n" - Pascow 


Das Netz wird endlich 3.0

Twogger, Blogstagram, Faceblr, Ellosquare, Fourgl+, Spotipress, Goonterest, XinkedIn, Wordr. 

Ich dachte, das Ding mit der digitalen Revolution wäre durch und wir hätten uns mittlerweile allesamt irgendwo im Netz etabliert. Alle sind auf Facebook, die Individualisten sind auf Twitter, die essenden Fotografen bewohnen Instagram, die mit den schicken Passbildern bezahlen Xing für ein Adressbuch, die Weltenbummler tummeln sich gleich überall und irgendwie hat doch jeder online seinen Kiez gefunden. 

Ich schrieb noch kürzlich einen Blogpost über die unvollständige Weltkarte der Sozialen Medien. Darin kamen eben alle Großen vor, die man so kennt, benutzt und bevölkert. Doch seit ein paar Tagen hat man - nicht selten befeuert durch neue Horrormeldungen aus den etablierten Netzwerken, was die angestrebte Vorantreibung der Kommerzialisierung oder den Abbau der privaten Datenschutzrechte angeht - wieder das Gefühl, dass alles im Umbruch ist. 

Das was wir als etabliert empfinden, wir, die wir die Onlinewelt längst in unsere Offline-Existenz implantiert haben, ist zwar das, was vielleicht unsere Elterngeneration noch als fremdartig und eventuell sogar bedrohlich empfindet, aber uns doch längst zum natürlichen, nicht mehr wegzudenkenden Teil unseres Alttages geworden ist. Umso irritierender, dass sich gerade jetzt vermehrt die Neuen - ich möchte fast sagen, die jungen Wilden - anschicken, Ihre Chance zu nutzen, das alles einfach mal wieder umzukrempeln. 

Mag sein, dass wir bis heute die ganz großen Neuerungen bereits ausgelotet haben, jedes große Netzwerk hat seine Zielgruppe, jede Mechanik ist vielleicht schon mal irgendwie ausprobiert und akzeptiert worden. Kann aber auch sein, dass wir alle diese Züge mit Wonne besprungen haben,weil sie die einzigen waren, die uns das wonach wir verlangten angeboten haben und wir eben auch nicht so genau hingesehen haben, was die Rahmenbedingungen angeht. Datenschutz? Haben wir als Deutsche irgendwie vorausgesetzt. Werbung? Haben wir als notwendige Randerscheinung erst einmal nicht so wichtig genommen und vermeidlich ignoriert. Persönlichkeitsrechte? Waren wir uns in der Masse dieser überhaupt bewusst? 



Und nun tauchen fast täglich Alternativen auf. Alternativen die uns Digitalnaiven vielleicht gar nicht so neu vorkommen, die aber plötzlich antreten mit dem Anspuch, nicht alles neu, aber vieles besser zu machen. Gut, damit hat auch ein Altbundeskanzler schon einmal Land gemacht, ohne selber die blühenden Landschaften seines Vorgängers zu ermöglichen. Aber derzeit scheinen Communities wie Ello, Medium und unzählige andere mit bekannten Ideen in einer neuen Verpackung mobil zu machen. Diese Verpackung soll jedoch nicht der alte Wein aus neuen Schläuchen sein, sondern versucht scheinbar ernsthaft, die Fehler, bzw. die Dreistigkeiten seiner Vorbilder, die in den Grundzügen ihrer Mechaniken zum Teil knallhart immitiert werden, auszubügeln.

Man wirbt mit Transparenz, Fairness, Nichtkommerzialität und Mitbestimmungsrecht und macht somit zumindest formal schon einmal so einiges richtig. Kein Mensch weiß, was nun die Zukunft bringen mag, wir alle wissen ja, die Masse ist träge und einmal Gelerntes wird nur ungern neu aufgezogen. Facebook mag in der absoluten Masse rückläufig sein, dennoch wird es diesen Molloch mit Sicherheit noch sehr lange auf sehr hohem quantitativen Niveau geben. Einfach weil alle es tun und das Konzept ja nicht ungekonnt darauf ausgelegt ist, ein lebenslanger Begleiter, ja ein Chronist des eigenen Lebens zu sein. Die anderen jedoch, Twitter, Wordpress, Blogger und Co., geliebt, etabliert aber in Deutschland im Vergleich zum Massenmedium Facebook immer noch eher eine Nische besetzend, haben jetzt die Chance, sich an der aufkommenden Konkurrenz zu messen, zu schleifen, zu öffnen, zu verbessern im Sinne ihrer User. 

Und so ist es unglaublich spannend gerade dabei zu sein, während sich das Alte mit dem Neuen im Konkurrenzkampf befindet. Ich bin kein wirklicher Bewahrer, ich bin allerdings höchst melancholisch. So bin ich hin und her gerissen zwischen der Angst, mein tägliches Twittern könnte irgendwann abgelöst werden durch etwas anderes. Andererseits brenne ich darauf zu sehen, wie sich die Neuen schlagen und wünsche Ihnen Glück und einen langen Atem.

Denn bei allem, was man im Netz doch so macht, bleibt eines gleich, überall. Wir, wir die User sind das Netz. Ohne uns ist sogar das Monster Facebook tot. Wir sind der Inhalt, das Leben, das Kapital. Wir müssen uns nur entscheiden, wollen wir das Kapital von anderen sein, deren Ideen und Philosophien wir nicht mit tragen, oder tun wir etwas für uns in unserem Sinne.


Beide Möglichkeiten bietet das Netz. Diese Selbstbestimmung sollten wir uns nicht nehmen lassen. Finde ich. Mag sein, dass Ihr das anders seht. Aber genau darum geht es ja.

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Edit:
Leser, die sich für den soeben erblickten Blogpost begeistert haben, würden sich gewiss auch für den hier begeistern. 

Ich wünsche mir mehr ELLOquenz - eine frühe Beobachtung

Es ist ganz gewiss noch einen Hauch zu früh, um einem gerade im Werden befindlichen Medium wie ELLO schon seine Kritik über zu bürzeln, aber angedenk dieses dollen Sprichwortes "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr" darf man ein paar wohl gemeinte Ratschläge an den Frischling überantworten. Und das nicht ohne begründete Hoffnung. 

Vorweg aber schnellerdings dies: 
Ich bin nach wie vor ein großer Freund von TWITTER und stehe gnadenlos treu zu dieser Plattform, da bislang nichts im Netz meinen Geist derart angeregt und meine Worte dieserart auf Vordermann gebracht hat. Zudem trifft man hier die spannendsten Menschen im Netz. Isso, as we say here. Ergo (auch ohne Therapie) möchte ich dieses große Ding gerne als solches erhalten - aber nicht zu jedem Preis. Wenn Twitter meint, es müsse nun endlich mal Geld verdienen, so ist dies ein legitimer Wunsch. Dennoch wird sich das Gros der schreibenden Twitterer (nicht die der schweigenden, denen ist das vielleicht sogar Wurst) nicht die eigene Timeline durch ungewünschten Content verwässern lassen, gar der Facebookisierung den Wasserkübel (erinnert Ihr Euch noch an den #Blumenkübel?) tragen. 

Aber ich schweife ab. Und zu ist das aber auch erlaubt, denke ich.
Nichts ist so heiß, dass man es nicht noch einmal kurz überbrühen könnte.



Dank einer netten Invitation der lieben +Wibke Ladwig bin ich nun seit lockeren zwei Tagen im Betaprogramm von ELLO - das sich, so kann man das durchaus sagen - als erste Unternehmung wirklich anschickt, uns Twitterern eine alternative Heimstatt anzubieten. Das mit dem ausgewiesenen Versprechen, weder jemals Daten sammeln, noch werbefinanziert sein und enden zu wollen. Und auch wenn das alles noch sehr rudimentär ist, kommt man als Frühadoptierter kaum drum herum sich einer gewissen Begeisterung hinzugeben. 

Trotz oder vielleicht gerade angesichts der noch unfertigen und wunderbar rohen Oberfläche atmet man derzeit ein wenig von dem, das etablierte Soziale Medien längst verloren haben - verlieren müssen. Auch ELLO wird diesen Charme nicht in diesem Maße aufrecht erhalten können, jedoch besteht hier - wie ehedem bei TWITTER - die Chance etwas mit zu gestalten. Die Admins zeigen sich offen und kommunikativ und die - einem zumeist ja doch irgendwie bereits von TWITTER bekannten - User befleißigen sich einer regen Anteilnahme, was Vorschläge angeht. 

Es ist diesbezüglich jetzt bereits augenscheinlich - angesichts der Rufe nach einer ähnlichen Funktion wie Favs, Retweets und DMs - dass die Meisten sich hier ein verschlanktes, wieder rudimentäres Twitter-Equivalent wünschen. Wenn Twitter hier etwas lernen kann, dann das was bereits vor Äonen schon von allen Social Media Experten kolportiert wurde: Das Zuhören. 

Keine Ahnung wohin es ELLO und TWITTER verschlägt, aber es ist derzeit eine arg spannende Angelegenheit diesen David vs. Goliath-Kampf zu beobachten. Wobei hier Goliath keineswegs als der ungeliebte Böse daher kommt. Vielmehr wünscht man ELLO eine behütete Kindheit und TWITTER, dass es die Kurve noch einmal bekommt.

Am Besten ist vielleicht, dass in dieser derzeit ungleich gewichteten, zweigleisigen Szene überhaupt keine Rede von Facebook ist. Wozu auch? 

Was ich mir wünsche ist Eloquenz. Und dass diese in gewohnt bescheidenem Maße obsiegen wird, ist mir jetzt bereits klar. Vielleicht braucht es in diesem Kampf ja auch gar keine Waffen, vielleicht siegt hier einmal - und das wäre doch mal was Neues - die Diplomatie. 

Lassen wir den Dingen ihren Lauf - man darf gespannt sein. 



EDIT: Leser, die diesen Blogpost gelesen haben, haben auch diesen Blogpost gelesen.