Jahresrückblog 2016 – verlorene letzte Worte



Es gibt ja diese einhellig kolportierte Meinung, dass 2016 ein durch und durch schreckliches Jahr, voller Verluste, neuer Bedrohungen und allesamt negativer Entwicklungen war. Ich persönlich finde das völlig subjektiv und denke, das Jahr hat dieses Bashing nicht verdient.

Klar, jeder von uns hat seine persönlichen Niederlagen und Verluste zu beklagen. Das sei auch niemandem genommen, das ist in jedem Jahr das gleiche. Aber sonst? Was ist denn anders als in jedem anderen Jahr? Was ist denn so kollektiv furchtbar, dass Ihr glaubt, Euch von Angst und Zweifeln beherrschen lassen zu müssen?

Leben wir nicht nach wie vor in einem Land, dass sowohl sozial, als auch kulturell, ja sogar auch wirtschaftlich – von mir aus nehmt auch den Sport dazu – immer noch wie das verdammte Paradies wirken muss, wenn man einmal die Größe hat, von außen drauf zu schauen? Natürlich gibt es Menschen, denen geht es schlecht, Menschen denen das Leben übel mitgespielt hat. Aber jenseits von bedauernswerten Einzelschicksalen, die ich hier auch gar nicht klein reden möchte, wem von Euch, die Ihr Euch in meinem Dunstkreis bewegt, geht es denn wirklich schlecht, weil – und das ist der springende Punkt – weil der ach so böse Staat, die allesamt so durch und durch korrupten Politiker, auf die Ihr immer so schimpft (weil es Euch erlaubt, und genau die Tatsache sogar gewollt ist), die Demokratie, die Ihr nutzt, als wäre es eine Option und keine Pflicht, weil die alle Euch etwas weggenommen haben, was Euch zusteht?

Habt Ihr nicht alle in diesem Jahr wesentlich mehr Terror erwartet? Ich schon. Mussten wir nicht eigentlich mit viel mehr Anschlägen rechnen, als es dann hinterher waren? Und das nicht wegen der Masse an Flüchtlingen, die Deutschland dankenswerterweise die Eier hatte, vor Krieg und Elend zu bewahren, sondern wegen der weltpolitischen Lage, in der wir natürlich eine Rolle spielen. Ich habe keine, null Angst vor einem Terroranschlag, bin mir aber sicher, dass wir noch einige werden erleben müssen. Aber woraus schürt sich denn hier Eure Angst? Zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort zu sein? So wie bei einem Flugzeugunglück, bei einem Verkehrsunfall, bei einem Herzinfarkt? Macht Euch dieses blöde Wort Terror mehr Angst, als Euer eigenes Leben? Das wäre schade. Die einzige Waffe, die es gegen Terror von, aus verschiedensten Gründen, ihr eigenes Leben wegschmeißenden Menschen gibt, ist Gelassenheit. Ich will nicht einmal von Desinteresse reden, aber wenn ich den – von mir in diesem Land hoch geschätzten – Medien eines vorwerfen kann, dann doch, dass sie jeglichen Zwischenfall bis zum Exzess pushen, mit Sondersendungen belohnen, also Arschlöchern indirekt Sendezeit einräumen, die sie nicht verdient haben. Menschen streben nach Macht, koste es was es wolle, da geht es dem IS-CEO nicht anders, als einem Erdogan.

Und ja, die Gesellschaft scheint gespalten zu sein. Aber eben nicht in Ethnien, soziale Schichten oder Religionen. Im Grunde kommen wir hier nämlich verdammt gut miteinander aus. Deutschland ist vor Allem mitnichten gespalten in zwei gleich große Teile, sondern in eine kleine, unzufriedene Hassgesellschaft, die es sich buchstäblich auf die Fahnen geschrieben hat, keine Lösungen, sondern Schuldige zu benennen, und in die überwiegende Mehrheit, die sich mit den Störenfrieden, die die pure und tumbe Menschenfeindlichkeit vor sich her tragen, meines Erachtens – noch – zu nachgiebig zeigt. Wie blöd man sein muss, um als vermeidlich "Abgehängter" diejenigen zu wählen, die einen am meisten verachten, vermag man vielleicht nach der US-Wahl wenigstens zu erahnen, wo das Proletariat einen zynischen Milliardär auf den Schild gehoben hat, um das Establishment abzustrafen. Ich möchte das Wort postfaktisch nicht überstrapazieren, aber seit Erfindung der Religion, war wenig postfaktischer als das Wählerverhalten der Menschen in diesem Jahr. Dennoch: 2016 ist auch hier keine Ausnahme.

Und dann die ganzen, ach so spontan und in Masse verstorbenen Künstler. Als wirklicher Fan ist man immer traurig, wenn ein verehrter Musiker das Zeitliche segnet, aber 2016 hat hier auch im Grunde nur die von uns genommen, die entweder bereits gesegnet alt, besonders drogenaffin oder schlicht unheilbar krank waren. Alles wie immer. Das ist 2016 nicht anders, als in jedem anderen Jahr. Nur dass es hier wohl den Mainstream besonders getroffen hat. Und genau hier ist dann auch der Boulevard eine besonders mächtige Betroffenheitsmaschine. Ich persönlich kann mich nicht erinnern Tränenmeere gesehen zu haben, als 2015 Phil Taylor, Chris Sqiere oder Robert "Bob" Burns gestorben sind. Lemmy mag da die große Ausnahme sein. Auch hier scheint der kommerzielle Erfolg den Grad der Anteilnahme im Todesfall zu bestimmen. Das ist ja auch alles vollkommen in Ordnung, so lange man nicht hinterher lesen müsste, dieser oder jene wäre "der wohl beste Künstler seiner Zeit", "ein Ausnahmetalent" oder was weiß ich noch gewesen. Die meisten der Beklagten, waren schlicht große Popstars, was an sich bereits eine anständige Leistung ist.

Ich denke, dass man einfach gerne in jedem Jahr ein Superlativ kolportieren möchte. Einfach nur, damit es diese Dramatik bekommt, nach der wir geistig Verarmenden lechzen. Und 2016 musste eben als Katastrophenjahr herhalten. Nun kann sich so ein Jahr ja auch schlecht wehren, vermutlich ist es ihm auch herzlich einerlei, was wir von ihm halten. Ich möchte Dir hinterher werfen, liebes 2016, wannanders war auch scheiße. Alles halb so wild.

Wenn ich mir für Deinen Nachfolger etwas wünschen dürfte, dann wäre das etwas mehr Gelassenheit, etwas weniger Hass, etwas mehr Massensterben unter Diktatoren (ist so`n Resthassding), mehr Bildung für alle, ein paar ernsthaft juckende Furunkel am Hintern für alle Chauvinisten, die glauben, dass ein Mensch besser wäre, als ein anderer, das Abebben von religiösen Gefühlen, so sie sich nicht nach innen, sondern auf andere richten, einen Aubameyang, der einen 5-Jahresvertrag beim BVB unterschreibt, mehr Gönnen, als Neiden, und dass Demokraten auch wieder zu Wahl gehen, um menschenverachtende Parteien in die Schranken zu verweise, die sie in den Köpfen kultiviert haben.  

 

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Faden gerissen



So! Ich habe es satt! Ich kann es nicht mehr hören. Überall, alle, jeder, dieser "Das wird man ja wohl noch sagen dürfen"-Schwätzer, plärrt nur noch die simple Formel nach, die Politik habe den Bezug zu den Wählern, zu den einfachen Menschen verloren und finde keinen Zugang mehr zu den Problemen des "Volkes". Es würde an diesen vorbei regiert und überhaupt leben wir ja in einem Land ohne jegliche Demokratie, in dem "die da oben" gegen das Gemeinwohl regieren und sich bereichern! KOTZ!

Leute, die Ihr Euch abgehängt und nicht mehr repräsentiert fühlt. Habt Ihr schon einmal darüber nachgedacht, dass Ihr hier in einem Land lebt, in dem Ihr, in dem jeder, sich jederzeit über alles informieren, sich bilden, schlau machen und vor allem mitmischen und somit etwas verändern kann. Ja scheiße, das geht nicht sofort und auf Knopfdruck? Man muss an einer Sache länger dran bleiben, als es dauert einen Facebook-Post zu schreiben? Ja, nee, dann lieber nicht. Dann lieber meckern und jammern.

Ist schon scheiße, wenn man selber nicht aus dem Quark kommt und dann nur noch über andere Schimpfen kann, die was tun. Klar ist das ein Scheißgefühl. Mit Recht!

Der Stammtisch der Doofen und Dreisten hat sich erhoben, um sich als jämmerliche Mimimi-Gesellschaft zu "erheben". Und was ist die Lösung dieser tumben Masse für die am eigenen Leib so schlimm empfundenen Probleme (die durchaus real sein können, das stellt niemand in Frage)? Konstruktive Inhalte? Antworten auf konkrete Fragen? Ideen, wie man sich selber und somit anderen helfen, die eigenen Lebensumstände verbessern kann? Das intellektuelle Beschäftigen, das Arbeiten an einer Verbesserung? Natürlich nicht. Die "Lösung" der schon immer Bescheuerten war, ist und wird immer sein, mit dem nackten Finger auf irgendjemanden zu zeigen, diesem die Schuld zu geben und dann die Fackeln anzuzünden. Das macht nichts besser, aber hey, es befreit doch ungemein und befeuert das eigene Mini-Ego mit dem bißchen Selbstzufriedenheit, dass Ihr anders scheinbar nicht zu erreichen in der Lage seid. Das ist nicht nur jämmerlich, dass ist gelebte Dummheit.

Wenn Euch einer gerade mächtig abhängt und aus der Mehrheitsgesellschaft herausraus schießt, dann seid Ihr es selbst! Ganz bestimmt nicht die "Politiker-Kaste", wie es aus Eurer privaten Filterblase gerne tönt. Politik bedeutet nämlich auf griechisch dooferweise nicht "Faulen Spinnern den Arsch hinter her tragen". Politik ist eine Arbeit. Und zwar eine, die die meisten von uns mangels Kompromissbereitschaft gar nicht durchhalten würden.

Ihr fordert Transparenz? Dann kauft Euch mal wieder eine richtige Zeitung, wenn Ihr die Huffington Post durchgewichst habt und Euch Russia Today die Welt durch Putins Brille erklärt hat. Ulkigerweise sorgen nicht facebook oder Super RTL für journalistische Transparenz, sondern eine segensreiche "Flut" von freien Medien, wie sie in der Welt nicht allzu oft zu finden ist. Aber vor Flut hattet Ihr ja immer schon Angst. Ihr lest polemische und populistische Blogs und redet anschließend von Lügenpresse? Spinner. Armselige Spinner.

Euer Mäkeln ist nicht neu. Euer kleingeistiges Wehklagen nichts modernes. Euch gab es in allen Zeiten. Der einzige Unterschied heute ist, dass Ihr Euch in einer seltsamen Mehrheitsvorstellung ergeht, die Euch die Sozialen Medien in Euer Kleinhirn reposten.

Ich habe die Schnauze voll vom Gelaber über ein postfaktisches Zeitalter aus dem Munde derer, die nicht einmal wissen was das heißt, die nicht einmal zwischen Fakten und bloßem Geplapper selbstgerechter Möchtegernadolfs unterscheiden können oder wollen. Klar dürft Ihr Euch zu Wort melden, aber dann gibt es halt scharfen Gegenwind. Den müsst Ihr dann halt aushalten.

Aber zuerst: besorgt Euch mal das ein oder andere Argument, wenn man Euch ernst nehmen soll.




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Momentaufnahme gegen Blödheit



Man kennt das. Bands, die das Glück haben, bereits ewige Jahre zusammen zu spielen, die Stärken und Schwächen der Mitmusiker im Detail kennengelernt zu haben, und im Grunde den Moment verpasst haben, selber mitzubekommen, dass man das, was man wirklich gut kann, so lange wiederholt, dass das Wort Inspiration weder Hülse, noch gewollten Hohn, sondern schlicht verloren gegangen ist. Man beginnt sich zu langweilen. Man nimmt plötzlich eine CD mit Coversongs auf, ein Best Off oder gleich ein Livealbum mit den besten Coversongs.

Bei uns ist das, was da gerade passiert, komplett anders. Nach dem letzten Album und wahrlichem Erlebnis "Wolkenstein", das uns scheinbar - nach dem Weckruf "Damocles" von 2011 - als Band erst so richtig geformt hat, im Grunde dafür gesorgt hat, dass wir uns gegenseitig erst wirklich als die Menschen und Musiker schätzen gelernt haben, die wir jeder für uns selbst sein wollen, ist der jetzige Prä-Genosha-Status von Porter einer der spannendsten Phasen sämtlicher Bands, deren Teil ich bislang sein durfte.

Nicht umsonst schreiben wir auf jede unserer Veröffentlichungen, das bei Turbostaat entliehene Versprechen, dass Porter exakt die Summe aus den 5 Mitgliedern waren, sind und immer sein werden. Was nicht weniger bedeutet, dass wir als Band sicher sind, sofort zu existieren aufzuhören, falls einer von uns nicht mehr dabei sein kann oder will. Wir sind nicht für die Ewigkeit gebaut und genau das macht uns geradezu unverwundbar. Wir haben künstlerisch alle, alle, alle Freiheiten und nur wir selbst können uns stoppen.

Es fühlt sich gerade einfach nur gut an, Genosha zu gestalten. Die ursprünglich bloße Idee Genosha mit Leben und Energie und Herzblut zu füllen. Ich bin übrigens überzeugt davon, dass jeder von uns - die wir zum Glück genauso verschieden sind, wie unsere musikalischen Vorlieben - sein ganz eigenes Genosha erlebt in dieser spannenden Lebensphase von Porter. Was uns wahrscheinlich eint, ist das Gefühl, vom Energie- und Substanzlevel, wieder zu unseren Wurzeln zurück zu kehren. Und damit meine ich nicht die Wurzeln von Porter, sondern den Grund eines jeden von uns, der uns einst dazu brachte, Musik als künstlerische Ausdrucksform zu wählen oder sich wählen zu lassen. Es ist Energie. Die rohe, die pure die laute.

Es ist das Gefühl zu Hause zu sein!

Und auch, wenn Volkers Speedmetalherz sich gewiss mehr Geschwindigkeit und ausladendere Enden wünscht; auch wenn Lars sich den Sound von Danzig I bis III in Reinkultur wünsch;, auch wenn Frank musikalisch eine katatonische Starre und mehr progressive Elemente wünscht; auch wenn Christian sich gewiss Musiker wünscht, die das was er uns erzählt, verstehen würden; und auch, wenn ich selbst mir wünsche, dass wir noch viel mehr Elemente des Hardcores integrieren: es ist gerade richtig spannend!

Scheißkulturwichser, wir. Ich höre die Stimmen. Aber wisst Ihr was? Das, das, genau das ist Freiheit! Wir haben uns nie gesucht. Aber wir haben uns dennoch gefunden. Und das, genau das ist pures Glück. Und aus diesem Glück - nicht aus Frust, Angst Not oder sonstigem Leiden - wird ein Album entstehen, dessen Existenz wir herbeisehen und an dem Ihr alle uns messen könnt.

Das Glück, Genosha produzieren zu können, bedeutet jedoch nicht, dass wir zufrieden wären, was dieses Land angeht. Zufrieden, was die Gesellschaft und seine populistisch angstgeprägten Minderheiten angeht, die sich auf die jämmerlich wehende Fahne das Fanal des Hasses und des Abschottens gekritzelt haben. Unsere Texte sind definitiv politisch. Und ich persönlich, als Autor, möchte sie genau so wahrgenommen wissen. Und das Geile an dieser, unserer Band ist, dass wir politisch oder religiös nicht einmal aus einem Lager kommen. Wir haben die unterschiedlichsten Ansichten über die Existenz eines liebenden Gottes oder dessen Sinnlosigkeit. Wir wählen Parteien aus dem gesamten rechtsstaatlichen Spektrum. Porter ist bunt, offen tolerant (außer wenn es um Fußball geht) in jeder Hinsicht, vielleicht unser größtes Pfund. Toleranz.

Und trotz unterschiedlicher Ansichten, gibt es nicht den mindesten Dissens, dass wir festen Willens vereint gegen jede totalitäre Struktur stehen, gegen Hass der sich gegen Minderheiten richtet, gegen jede Art von Rechtsextremismus, sei es der alte, der neue, der verdammt noch mal postfaktische der Idioten.

Falls Ihr also gewillt seid, offenen Ohres eine offene Gesellschaft, jenseits von idiotischer Terrorangst zu leben: you're welcome. 
Ansonsten geht zu Mario Barth.

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